Schon The Isolation Tapes zeigte: Kadavar lassen sich nicht bremsen – sie rebooten sich selbst. Dem neuen Album ist nun nichts mehr heilig – es schwebt Lichtjahre über der Erde. Leichtfüssig und zugleich überlebensgross, als wären die zehn Tracks der Band wie die zehn Gebote direkt aus den Wolken in den Schoss gefallen.
I Just Want To Be A Sound ist ein musikalisches Ritual des Übergangs. Ein Album, das sich immer wieder selbst aufgibt, um in neuen Formen zu reinkarnieren. Rockhymne, Ballade, Popsong, Episches und Irdisches wechseln sich nahtlos und virtuos ab. Frei und voller Momentum. Lupus Lindemann tritt dabei auf wie ein Trickster auf, der mit heiterer Gelassenheit die Affirmationen verkündet, die ihm über seine Standleitung nach oben zuteilwurden. Immer bereit für den nächsten Kostümwechsel – changiert er mühelos zwischen feminin und maskulin, erhaben und verwegen, verletzlich und kraftvoll.
“Sound sein!” – dieser Gedanke geht auf ein Zitat ihres französischen Bassisten Simon ‚Dragon‘ Bouteloup zurück. Als die Kadavar-Gründer Lupus Lindemann und Tiger Bartelt ihn 2013, kurz nach seinem Einstieg in die Band, fragten, warum er keine Social-Media-Accounts habe, antwortete er mit dem Satz: “I just want to be a sound.” Ein Satz, der hängen blieb – und der das Selbstverständnis der Band auf den Punkt bringt. Was damals beiläufig formuliert wurde, entwickelte sich über 15 Jahre Bandgeschichte zu einem Leitmotiv: ein kompromissloser Anspruch, der nichts Geringeres fordert, als völlig im Klang aufzugehen, ohne sich von Äusserlichkeiten ablenken zu lassen. Ein Prinzip, dem Kadavar seit ihrer Gründung 2010 treu geblieben sind und das mit diesem Album seine bislang stärkste Entfaltung findet.
Mit seinem Fokus auf den Wandel, ist das Album auch eine Ode an Berlin. Ein Track wie Sunday Mornings fängt das Gefühl ein, nach der letzten Afterhour einmal zu oft durch die Strassen zu stolpern, während die ersten Sonnenstrahlen die Stadt in ein gnadenloses Licht tauchen. Liebe, Schuldgefühl, der bittersüsse Geschmack der Vergänglichkeit und die Erkenntnis, dass nicht für immer Sommer sein kann.
In einer Welt, die immer mehr in Lager zerfällt und in der gleichzeitig alles zu einem postfaktischem Brei verschwimmt., liefern Kadavar den passenden Soundtrack, der die Gegensätze und den Wahnsinn der Zeit nicht auflöst, sondern dazu einlädt, sie in ihrem Grundrauschen zu spüren.
I Just Want To Be A Sound ist eine euphorische Liebeserklärung an das Jetzt als Ort unaufhaltsamer Wiedergeburt und Regeneration. Hier wird der Verstand verloren, hier werden Federn gelassen, Narben gesammelt, Angst ausgehalten, sich immer wieder gehäutet, losgelassen und frisch verliebt. Hier kann einem nichts passieren, weil hier alles passiert.
Wenn man eins wird mit dem Moment, eins mit dem Sound.
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